Ming Dynastie

Ming Dynastie
1368-1644

Mit der Ming-Dynastie war nach vielen Jahrhunderten wieder eine rein chinesische Dynastie an die Macht gekommen, die das gesamte Reichsgebiet unter ihrer Kontrolle hatte. Es war dies allerdings auch die letzte chinesische Dynastie in der langen Geschichte Chinas. Denn die Qing-Dynastie, die China von 1644 bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts beherrschte, war wiederum eine Fremddynastie, nämlich das Herrscherhaus der Mandschuren.

Zhu Yuanzhang, der sich als erster Kaiser der Ming-Dynastie die Regierungsdevise »Umfassende Militär (-gewalt)« gab, stammte aus den untersten Volksschichten und war eine Zeitlang Mönch in einem buddhistischen Kloster gewesen. Er wird als große Führernatur geschildert, soll sich aber auch durch arge Grausamkeit hervorgetan haben. Mehrere seiner ehemaligen Generäle, von denen er befürchtet, daß sie sich gegen ihn auflehnen und ihn den Thron streitig machen könnten, ließ er hinrichten. Obwohl es ihm gelungen war, die Mongolen zu vertreiben, sah er in diesen nach wie vor eine Gefahr für das Reich wie auch für seinen Thron. So kam es sowohl unter ihm als auch unter seinem Nachfolger noch zu mehreren Feldzügen gegen diesen Feind im Norden, und im Jahr 1449 mußte das Ming-Heer sogar eine Niederlage hinnehmen, wobei der chinesische Kaiser in Gefangenschaft geriet und Peking belagert wurde. Um die Nordgrenze abzusichern, wurden dort Militär-regionen errichtet und große Kontingente von Garnisonstruppen stationiert. Nachdem die beiden südwestlichen Provinzen Sichuan und Yunnan 1382 wieder zurückerobert waren, befand sich das gesamte Kernland Chinas wieder fest in chinesischer Hand, und der Kaiser konnte sich mehr innenpolitischen Problemen widmen.

Die Herrschaft der Ming-Dynastie ist gekennzeichnet durch eine lange Friedensperiode, während der das Land sich zu einem mächtigen, blühenden Staatswesen entwickeln konnte. Weder in der Tang- noch in der Song-Zeit war das Regierungssystem so stark zentralisiert wie unter den Ming. Die ganz Macht im Staat war in der Person des Kaisers konzentriert. Nach dem Tod des Kaisers Hongwu folgte ihm sein 16jähriger Enkel auf den Thron, worauf es zu einem erbitterten Bürgerkrieg zwischen diesem und dem vierten Sohn Hongwus, der sich übergangen fühlte, kam, in dessen Verlauf letzterer mit einem Heer von Nordchina in die Hauptstadt Nanjing zog und den Kampf für sich entschied. Er regierte sodann von 1403 bis 1424 unter der Regierungsdevise »Ewige Freude« (Yongle). Unter Yongle, der auch als Kaiser Cheng-zu bekannt ist, hat die Machtentfaltung der Ming-Dynastie ihren Höhepunkt erreicht. Er verlegte 1421 die Hauptstadt von Nanking, das noch unter Hongwu zu einer gewaltigen Residenzstadt ausgebaut worden war, nach Peking. Von diesem Zeitpunkt an blieb Peking bis 1926 Hauptstadt Chinas.

Expedition der chinesischen Hochseeflotte

Die Regierungszeit des Kaiser-Cheng-zu ist aber vor allem wegen der aufsehenerregenden Expedition seiner Hochseeflotte weltweit bekannt geworden. Er veranlaßte den Bau riesiger Schiffe, die unter dem Kommando des Eunuchen Zheng He, eines aus Yunnan stammende Moslem, das Südchinesische Meer und den Indischen Ozean durchquerten und bis an die Küste Afrikas und Arabiens gelangte. Zheng-He wurde von Kaiser Cheng-zu wahrscheinlich deshalb als Leiter dieser Expeditionen ausgewählt, weil er Mohammedaner war und die meisten Länder, welche die Flotte anzulaufen gedachte, ebenfalls unter muslimischer Herrschaft standen. In den Jahren 1405 bis 1433 wurden unter Cheng-zu und Seinen drei Nachfolgern insgesamt sieben See-Expeditionen durchgeführt, die Java und Sumatra wie auch verschiedene Häfen in Indien und Sri-Lanka anliefen und sogar bis nach Arabien, Persien und Ostafrika vorstießen. Um diese Reise durchführen zu können, mußten die Chinesen damals bereits über ein großes technisches und logistisches Wissen verfügt haben. Der Kompaß, ebenfalls eine chinesische Erfindung, war ihnen ja, wie wir aus einer Quelle wissen, bereits seit Anfang des 12. Jahrhunderts bekannt und ist wahrscheinlich über die Araber des 13. Jahrhunderts zu uns gelangt. Die mehr als 60 Schiffe der chinesischen Armada faßte zusammen zirka 28 000 Menschen und erregte in allen Häfen, in denen sie einliefen, große Bewunderung. In manchen Gegenden sollten sie die Bevölkerung auch in Angst und Schrecken versetzt haben.

Aus welchen Motiven heraus die Chinesen diese äußerst kostspieligen Expeditionen, die meist zwei bis drei Jahre dauerten, unternahmen, ist bis heute ungeklärt. Sicherlich haben mehrere Gründe hierfür eine Rolle gespielt. Ein Grund kann darin gesehen werden, daß die Chinesen, nachdem sie das schwere Joch der Mongolen-herrschaft abgeschüttelt hatten und wieder ein mächtiges, chinesisches Staatsgebilde errichtet hatten, der Welt diese Macht demonstrieren wollten: Alle Welt sollte wissen, daß das Reich der Mitte und insbesondere der Kaiserhof in Peking das eigentliche Zentrum der Macht darstellte. In diesem Sinn hatten diese Expeditionen auch großen Erfolg: Sie wurden mit großen Geschenken überhäuft, und im Jahr 1415 sandten 16 Staaten Tributgeschenke an den chinesischen Kaiser. Auch setzte nun eine ganze Reihe diplomatischer Höflichkeiten am chinesischen Kaiserhof ein.

Ein zweiter Grund dieser Unternehmen war sicherlich auch der Plan, die Handelsbeziehungen Chinas auszudehnen. Auch in dieser Richtung waren diese Seereise für China ein voller Erfolg. Neben einer Vielzahl von neuen Dingen, exotischer Tiere usw., die die Chinesen in diesen Ländern kennenlernten und mit nach Hause brachten, erwarben sie auch umfangreiche geographische Kenntnisse über die Länder, die sie bereisten. Angeblich hatten diese Expeditionen auch den Zweck, den zweiten Kaiser der Dynastie, dem Cheng-zu seinerzeit den Thron entrissen hatte und der seit dieser Zeit spurlos verschwunden war, ausfindig zu machen.

Ebenso ungelöst wie die verschiedenen Ursachen, die zu diesen großen Seereisen geführt haben, sind auch die Gründe, warum sie plötzlich so abrupt wieder abgebrochen wurden. Obwohl die Chinesen in der Ming-Zeit eine hochtechnisierte Flotte von großer militärischer Schlagkraft aufgebaut hatten, überließen sie in der Folgezeit unverständlicherweise die See anderen Nationen: zunächst den Arabern und dann später den Portugiesen und den Japanern. Wäre die chinesische Flotte damals weiter ausgebaut worden, hätte vielleicht manches spätere Kapitel der chinesischen Geschichte, insbesondere auch das der Begegnung mit den Europäern, anders ausgesehen.
                                                                                                                                   nach oben

Seeräuber an Chinas Küste

In der Folgezeit beschränkte sich die chinesische Schiffahrt im wesentlichen auf ihre eigenen Küstengewässer und auf die Verteidigung ihrer Landesgrenzen. Der Seehandel wurde unterbunden. Durch den Ausfall der Seezölle gingen auch die Staatseinnahmen zurück. Die Chinesen durften ihr Land nicht mehr verlassen. China kapselte sich immer mehr von seinen Nachbarn und von der Außenwelt ab. Seit Ende der Mongolenzeit wurde die chinesische Küste immer wieder von japanischen Seepiraten heimgesucht. Die japanischen Behörden waren nicht in der Lage, die Aktivitäten dieser Seeräuber, die sich im Laufe der Zeit auch noch mit verschiedenen chinesischen kriminellen Elementen und Räubern verbanden, einzudämmen. Die Hauptangriffsziele der Seeräuber, die zunächst aus Japan kamen, sich später aber auf der Insel Zhusan einen »Stützpunkt« ausbauten, waren das Mündungsgebiet des Langen Flusses (Yangzi Jiang) sowie die Küstenprovinz Jiangsu, Zheijiang und Fujian. Manchmal nahmen ihre Übergriffe geradezu die Form einer Invasion an. So überfiel beispielsweise im Jahre 1560 eine Seeräuberbande von 6000 Mann plündern und brandschatzend die Stadt Chaozhou in der Provinz Fujian.

Gelegentlich zogen sie sogar den Langen Fluß aufwärts und überfielen mehre Städte an beiden Flußufern, richteten ein Blutbad unter der Bevölkerung an, legten Feuer, plünderten und flohen mit reicher Beute ostwärts. Insgesamt dauerten diese Piratenüberfälle mehr als zwei Jahrhunderte, bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, an.

Während Chinas Norden auch während der Ming-Zeit immer wieder Raubzügen und Invasionen von seiten verschiedener Mongolenstämme ausgesetzt war, erwuchs dem Land an seiner Nordostflanke eine neue Gefahr. Kaum war das Piratenwesen an der Küste unter Kontrolle gebracht, versuchte Japan über Korea einen Angriff gegen China vorzutragen und schickte im Jahr 1592 eine große Streitmacht nach Korea, das damals ein Vasallenstaat Chinas war. China eilte seinem Verbündeten mit einer Armee zu Hilfe. Nach mehreren Waffengängen zwischen Chinesen und Japanern, bei denen keine Seite einen eindeutigen Sieg erringen konnte, zogen sich die Japaner 1598 wieder nach Japan zurück.

Während der Kriege gegen die Mongolen wurden vor allem in den nördlichen Provinzen viele Äcker und Felder verwüstet, und die Landwirtschaft erlitt großen Schaden. Um die landwirtschaftliche Produktion in diesen Gebieten so schnell wie möglich wiederaufzubauen und die Bevölkerung mit genügend Nahrungsmittel versorgen zu können, hatte bereits der erste Ming-Kaiser eine Reihe von wirksamen Maßnahmen getroffen. Saatkorn wurde an die Bauern verschenkt, der Pachtzins erlassen und die Steuern herabgesetzt. Für die Urbarmachung von Brachland wurden besondere Begünstigungen gewährt. Dennoch ließ es sich auch in der Ming-Zeit nicht vermeiden, daß sich in relativ kurzer Zeit bereits wieder ein großer Teil des Grund und Bodens in den Händen des Kaiserhauses, der Aristokratie und der Beamten befand. Obwohl der Landbesitz der Beamten gesetzlich eingeschränkt war, wurden doch immer wieder Mittel und Wege gefunden, diese Gesetzte zu umgehen. Auch den Großgrundbesitzern gelang es, immer mehr Grund und Boden in ihr Eigentum überzuführen. Um die Bevölkerung steuermäßig zu erfassen, wurde eine Volkszählung durchgeführt und das Land neu vermessen. Die Steuerabgaben konnten zunächst noch in Naturalien (Getreide, Reis, Seide) sowie auch in Bargeld (Silber) geleistet werden. Sie wurden zweimal jährlich, im Sommer und im Herbst, eingehoben. Neben den Natural- und den Geldsteuern waren aber alle Männer vom 16. bis zum 60. Lebensjahr zur Ableistung von Arbeitsdienst verpflichtet. Daneben wurden sie auch zur Miliz, zum Postdienst sowie zu anderen Leistungen herangezogen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde ein neues Steuersystem, das sogenannte »Yi-tiao bian-fa«, eingeführt. Dieses System sah eine Vereinfachung bzw. eine Zusammenfassung aller Steuerleistungen (Steuern, Arbeitsdienst usw.) in einer Einheit vor und wurde pro Flächeneinheit jeweils in Silber vorgeschrieben. Dies bedeutete die Aufgabe des Naturalsteuersystems und den allmählichen Übergang zu einem Steuer- und Pachtsystem in Bargeld. Da der Ausdruck »yi-tiao bian« »(Alles in) einer Einheit« in der gesprochenen chinesischen Sprache gleichzeitig auch »eine Peitsche« bedeutete, war das neue System in China bald als das »Peitschenhieb-System« bekannt.

Das geistige Leben Chinas während der Ming-Zeit war sehr stark geprägt vom Gedanken der Rückkehr zu den alten Wertvorstellungen und ethisch moralischen Grundlagen, welche die großen Dynastien rein chinesischen Ursprungs (Tang, Song) geschaffen hatten. Danach rückte der Konfuzianismus wieder in den Mittelpunkt des geistigen Lebens in China. Im Gegensatz zur Mongolen-Zeit stand man den Fremdreligionen und damit auch dem Buddhismus skeptisch, manchmal sogar feindselig gegenüber. Konfuzianischer Staatskult und Ahnenverehrung traten nun wieder in den Vordergrund. Die Mongolen waren geschlagen, das Fremde mußte dem Einheimischen weichen. China besann sich wieder auf seine eigenen Werte. Auch das Schul- und Prüfungssystem, von dem ja in hohem Maße die geistige und die moralische Ausbildung des gesamten Beamtenapparates abhing, wurde in der Ming-Zeit weiter auf der Basis der konfuzianischen Staatsdoktrin ausgebaut. Die Grundlage des gesamten prüfungssystems bildeten die konfuzianischen Klassiker, das heißt, die »Vier Bücher« (Si-shu) und die »Fünf Kanoischen Werke« (Wu-jing). Während der Regierungszeit des Kaisers Yongle waren diese Werke in einer allgemeinverbindlichen Form, basierend auf der Auslegung des Song-Philosophen Zhu Xi, neu herausgegeben worden. Jeder Kandidat mußte den Inhalt dieser Werke genauestens kennen und in der Lange sein, sie in der vorgeschriebenen, orthodoxen Form zu interpretieren. Selbstverständlich wurde von den Kandidaten auch erwartet, daß sie diese Werke nicht nur theoretisch beherrschen, sondern sich zutiefst mit deren Inhalt identifizierten und ihr Leben nach diesen ethisch-moralischen Grundsätzen ausrichten. Obwohl dieses Ausbildungs- und Prüfungssystem sehr einseitig war und dem Kandidaten Sachwissen abverlangte, hat es doch noch fast ein halbes Jahrtausend in China seine Dienste getan und Generationen von Beamten-Gelehrten hervorgebracht, welche (von Ausnahmen abgesehen) stets bemüht waren, ihren Dienst gewissenhaft zu erfüllen.         nach oben

Schule und Erziehung

Die Grunderziehung fand auch werdend der Ming-Zeit im wesentlichen im häuslichen, privaten Bereich statt. Zwar war auch in dieser Epoche eine Vielzahl von staatlichen Regierungsschulen in den verschiedenen Präfektur- und Kreisstädten gegründet worden, doch hatten diese eine ganz andere Funktion als beispielsweise unsere offiziellen staatlichen Schulen. An diesen Schulen wurde nämlich kein systematischer Unterricht in den verschiedenen Fächern erteilt, sondern ihr Aufgabenbereich war darauf beschränkt, in gewissen regelmäßigen Zeitabständen Prüfungen abzuhalten.

Die höchste wissenschaftliche Institution im Staat war die sogenannte Hanlin-Akademie. An dieser kaiserlichen Akademie waren nur ausgewählte, hochqualifizierte Gelehrte tätig, welche den höchsten akademischen Grad erworben hatten. Sie standen im wesentlichen im Dienst des Kaiserhauses. Ihre Aufgabe bestand vor allem darin, kaiserliche Dekrete und Erlässe zu konzipieren bzw. diesen in einem ausgefeilten klassischen Schriftstil sprachlichen Ausdruck zu verleihen. Neben einer weiteren ebenfalls kaiserlich-staatlichen Akademie, dem Guo-zi-jian, gab es überall im Land verstreut auch eine Vielzahl von privaten Akademien (shu-yuan), die nur zum Teil, wenn überhaupt, staatliche Unterstützung genossen. Meist wurden sie von Großgrundbesitzern und begüterten Kaufleuten gegründet und unterhalten. Das Prüfungssystem weist in der Ming- und in der Qing-Zeit ungefähr dieselbe Struktur auf und war in drei Stufen gegliedert. Bevor man zur ersten der drei staatlichen Prüfungen zugelassen wurde, mußte man bereits auf Kreis-Ebene gewisse Vorprüfungen abgelegt haben. Hatte man diese erfolgreich hinter sich gebracht, wurde man zur ersten Staatsprüfung, die in den verschiedenen Präfekturstädten abgehalten wurden, zugelassen. Wer diese mit Erfolg absolviert hatte, erhielt den Titel »xiu-cai« (=blühendes Talent). Die offizielle Bezeichnung hierfür war eigentlich »sheng-yuan«. Damit gehörte man bereits, wenngleich auch erst auf unterster Ebene, der Lieteratenklasse an und genoß eine Reihe von Privilegien. Wer in seiner Karriere weiter nach oben strebte, mußte sich nach einer weiteren Vorprüfung der zweiten Staatsprüfung unterziehen, die alle drei Jahre in der Provinzhauptstadt abgehalten wurde. Bestand man diese, so erlangte man den Titel »ju-ren« (=Ausgewählter bzw. empfohlener Mann). Bei dieser Prüfung wurden bereits sehr hohe Anforderungen gestellt. Wer auch diese Hürde genommen hatte, konnte zur dritten Staatsprüfung, die alle drei Jahre in Peking stattfand, antreten. Nach Bestehen dieser Prüfung war man ein sogenannter »jin-shi« (vorgerückter Gelehrter). Den krönenden Abschluß aller chinesischen Staatsprüfungen stellte die sogenannte Palastprüfung (dian-shi) dar, deren Bestehen einmal das Tor zur Han-lin-Akademie oder zu einem anderen einflußreichen Posten öffnete.

Mit der Ablegung der einzelnen Prüfungen war zwar der Grundstein für eine erfolgversprechende Karriere gelegt, doch mußten verschiedene Prüfungen (auf allen Ebenen) in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Durch diese Maßnahme sollte gewährleistet werden, daß die einzelnen Beamten dem Staat stets mit voller Leistungskraft und unveränderten moralischen Grundprinzipien zur Verfügung standen.                                                                         nach oben

Die »Große Enzyklopädie der Yongle-Periode«

Die Ming-Dynastie hat auch eine Reihe großartiger wissenschaftlicher Leistungen hervorgebracht. An erster Stelle muß in diesem Zusammenhang die »Große Enzyklopädie der Yongle-Periode« Yongle dadian) erwähnt werden, an deren Komplikation über 2000 Gelehrte von 1403 bis 1408 gearbeitet haben. Zweck der Erstellung dieser Universalenzyklopädie war, die gesamten Schriften, die aus frühesten Zeiten bis in die Ming-Zeit erhalten geblieben waren, zu sammeln und der Nachwelt zu überliefern. Da bei diesem Projekt sämtliche Werke über Geschichte, Staat und Recht, Philosophie, Geographie, Sprache und Schrift, Architektur und viele andere Gebiete mit aufgenommen wurden, nahm das Material einen so gigantischen Umfang an, daß es gar nicht mehr gedruckt werden konnte. Es bestand in seiner Originalfassung aus über 11 000 Bänden, von denen später noch zwei Kopien angefertigt wurden. Leider sind sowohl das Originalwerk als auch beide Kopien zum größten Teil verlorengegangen. Nur zirka 400 Bände davon sind bis heute erhalten geblieben.

Ein weiters wichtiges Werk, das am Ende der Ming-Zeit von einem gewissen Song Yingxing verfaßt wurde, ist das »Tian-gong kai-wu« (=Erschließung der Arbeiten der Natur). In diesem Werk sind die Produktionsmethoden sowie die technischen Herstellungs- und Bearbeitungsverfahren einer Vielzahl von Bodenschätzen, natürlichen und künstlichen Produkten, zum Teil mit interessanten graphischen Darstellungen, beschrieben. Dieses Werk ist vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil es uns einen Überblick über den Stand der Technologie im China des 17. Jahrhunderts vermittelt, also gerade zu einem Zeitpunkt, in dem erstmals naturwissenschaftliche und technische Kenntnisse aus dem Westen in größerem Umfang nach China gelangten.

Neben dem erwähnten Werk müssen auch die »Grundzüge der Wurzeln und Gräser« (Ben-cao gang-mu) des Li Shizhen besonders hervorgehoben werden. Dabei handelt es sich um ein medizinisches Kompendium, in dem fast 2000 tierische, pflanzliche und mineralische Stoffe, die bei der Herstellung von Medikamenten Verwendung fanden, nebst einer Vielzahl von Rezepten beschrieben sind. Aus der Klassifikation der Pflanzen läßt sich erkennen, daß die Chinesen bereits damals über ausgezeichnete botanische Fachkenntnisse verfügten.

Wie wir bereits wissen, haben die Ming unter ihrem dritten Kaiser Yongle 1421 die Hauptstadt von Nanking nach Peking verlegt. Peking war bereits vorher, nämlich unter den Khitan, zeitweise deren zweite, südliche Hauptstadt gewesen und hatte auch unter den Dschurdschen unter der Bezeichnung »Zhong-du« (=Mittlere Hauptstadt) als deren Hauptstadt fungiert. Die Stadt Zhong-du lag im Südwesten des heutigen Peking und war bereits unter der Jin-Dynastie mit herrlichen Palastanlagen ausgestattet worden. Aber schon 1215 war die Stadt von den Mongolen unter Dschingis-Khan eingenommen und in Brand gesteckt worden, wobei die kaiserlichen Palastanlagen zu Gänze abbrannten.

1267 hatten die Mongolen nordöstlich der alten Stadtmauern mit dem Wiederaufbau der Stadt begonnen, und fünf Jahre später, noch vor der Eroberung ganz Chinas durch die Mongolen, hatte Kubilai-Khan wichtige Regierungsämter nach Peking, damals »Da-du« ( = Große Hauptstadt) genannt, verlegt. In Europa wurde die Stadt damals unter ihren türkischen Bezeichnung Chan-baliq ( = Cambaluc, Kaiser-Stadt) bekannt. Als Da-du ist Peking dann während der gesamten Mongolen-Dynastie (1280 bis 1368) Hauptstadt geblieben. Die Stadt, die von den Mongolen in viel größeren Dimensionen als ihre Vorgängerin wiederaufgebaut worden war, barg hinter ihren Mauern eine Vielzahl von Palästen, Parkanlagen mit Seen und ungeheure Kostbarkeiten aus dem ganzen Reich. Es ist die Stadt, die Marco Polo damals besucht und in seinem Buch beschrieben hat.

Stadtanlage von Peking

Nachdem Zhu Yuanzhang, der Gründer der Ming-Dynastie, die Mongolen vertrieben hatte, machte er Jinling zur Hauptstadt und nannte sie Nanking (Nanjing, wörtlich: Südliche Hauptstadt). Peking (Beijing, wörtlich: Nördliche Hauptstadt) wurde damals umbenannt in Beiping ( = Nördlicher Friede). Jedoch bereits unter Kaiser Yongle wurde die Hauptstadt erneut nach Beiping verlegt und erhielt damit natürlich wieder den Namen Peking. Während der Ming-Dynastie hat sich die Stadtanlage von Peking nicht unwesentlich verändert: Während die nördliche Stadtmauer weiter nach Süden verlegt wurde (wodurch ein Teil der früheren Mongolenstadt nunmehr außerhalb der Stadtmauer lag), kam es auch im südlichen Teil der Stadt dadurch zu einer großen Veränderung, daß hier ein ganz neuer Stadtteil, der sich in der Zwischenzeit gebildet hatte, von drei Seiten mit einer großen Mauer umgeben und mit dem nördlichen Teil verbunden wurde. Durch diese Maßnahme erhielt die Stadt Peking damals bereits jenen Grundriß, der noch heute ihre Anlage charakterisiert: Eine quadratische Stadt im Norden, die sogenannte »Innere Stadt« (nei-cheng). Im Zentrum der Inneren Stadt wiederum lag die »Kaiserstadt« (huang-cheng), und deren Zentrum wiederum bildet die »Verbotene Stadt« (zi-jin-cheng).                            nach oben

Der Kaiserpalast

Als Kaiser Yongle seine Residenz nach Peking verlegte, ließ er den alten Kaiserpalast von Grund auf erneuern und die Palastanlage erweitern. Ferner ließ er auch im Süden der Stadt den Himmelstempel und den Altar des Gottes des Ackerbaus errichten. Hier haben sowohl die Ming- als auch später dann die Qing-Kaiser jeden Frühling ihre Opfer dargebracht und um eine gute Ernte gebetet. Die ehemalige »Verbotene Stadt«, das heißt die eigentlichen

Kaiserlichen Palastanlagen, sind im wesentlichen heute noch in der Form erhalten, in der sie in der Ming-Zeit erbaut worden sind. Es ist die imposanteste und auch die vollständigste Anlage altchinesischer Baukunst, die bis heute erhalten geblieben ist. Auf allen Seiten von einer 10 Meter hohen Mauer und einem über 50 Meter breiten Wassergraben umgeben, weist die Anlage eine Fläche von 720 000 Quadratmetern auf, auf der sich eine Vielzahl von Palästen, Hallen, Häusern und Pavillons (mit insgesamt 9000 Räumen) in streng geometrisch-symmetrischer Anordnung erhebt. Die Palastanlage zerfällt in zwei Teile: Der Südteil umfaßt Paläste und Gebäude, von denen aus die chinesischen Kaiser das Reich regierten. Den Nordteil bilden, von einzelnen Bauten, die dem Kaiserhaus ebenfalls für Amtszwecke zur Verfügung standen, abgesehen, im wesentlichen Paläste und Räumlichkeiten, die der kaiserlichen Familie als private Residenz dienten. Alle wichtigen Paläste waren bzw. sind im Zentrum der gesamten Anlage auf einer Nord-Süd-Achse angelegt. Im Süden, vom Haupteingang her kommend, erheben sich die Halle der Höchsten Harmonie (Tai-he-dian), die Halle der Vollkommenen Harmonie (Zhong-he-dian) und die Halle zur Bewahrung der Harmonie (Bao-he-dian). Daran schließen sich im Norden ebenfalls auf der Zentralachse gelegen, der Palast der Himmlischen Reinheit (Qian-qing-gong), die Halle der Vereinigung (Jiao-tai-dian) und der Palast der Irdischen Ruhe (Kun-ning-gong) an (Link zu Illustration)

Von diesen Palästen aus haben 24 Ming- und Qing-Kaiser ein halbes Jahrtausend lang die Geschichte Chinas geleitet. Des öfteren sind bei Bauernaufständen bewaffnete Bauernheere in die Verbotene Stadt eingedrungen und haben ihrem Unmut über die schwere Unterdrückung und Ausbeutung, der sie im Verlauf der langen Geschichte Chinas so oft ausgesetzt waren, Ausdruck verliehen.

Europäer kommen auf dem Seeweg nach China

Die intensiven Handelsbeziehungen mit fremden Ländern, die während der Mongolen-Zeit noch in so großem Umfang gepflegt worden waren, gingen in der Ming-Dynastie auf Grund der restriktiven Handelspolitik der Regierung stark zurück. Davon war sowohl der Handel über Zentralasien als auch in ganz besonderem Maß der Seehandel betroffen, und China geriet immer mehr in eine Isolation. Dies fand zu einer Zeit statt, als die Hochseeschiffahrt im Westen gerade durch die große Entdeckungsfahrten der Portugiesen, der Spanier und anderer Seefahrernationen ihren Höhepunkt erreichten.

Als erste Europäer hatten die Portugiesen über Südafrika einen Seeweg nach Indien gefunden und waren von dort aus weiter nach Malakka gesegelt, das sie 1511 besetzten. In den darauffolgenden Jahren durchkreuzten sie das Südchinesische Meer, und im Jahr 1516 erreichte Raffel Perestrello auf einer malaiischen Dschunke das chinesische Festland. Bei den Chinesen waren die Portugiesen damals unter dem Namen »Fa-lang-ji« ( = Franken) bekannt, einer Bezeichnung, die die Chinesen später auch auf andere europäische Nationen ausdehnten. Während sich die Chinesen ihnen gegenüber recht freundlich verhielten, änderte sich diese Situation durch das Verhalten der Portugiesen und führte schließlich im Jahr 1522 zu ihrer Vertreibung. Obwohl es ihnen in den darauffolgenden Jahrzehnten wieder gelungen war, in den Provinzen Zhejiang und Fujian Fuß zu fassen, wurden sie auch von dort wieder zum Verlassen ihrer Stützpunkte gezwungen, und ihre Niederlassungen wurden zerstört.                                                                                 nach oben

Macau

Einige von ihnen flohen weiter nach Süden und ließen sich in der Gegend des heutigen Macau nieder, wo ihnen die chinesische Regierung gegen Zahlung eines Pachtzinses die Errichtung einer Enklave gestatten. Aus dieser Niederlassung hat sich in der Folge die Kolonie Macau entwickelt. Die bis heute unter portugiesischer Oberhoheit steht. Allerdings ist die Bedeutung der Stadt seit dem Aufblühen Hongkongs nach dem Opiumkrieg (1840 bis 1842) ständig zurückgegangen. Der Name Macau (portugiesisch: Macao) ist eine Wiedergabe des Chinesischen A-ma-cao und bedeutet wörtlich: Hafen der »Ama«. Die Gottheit »Ama«, auch »Ma-zu« genannt, alt als Schutzpatronin der Seefahrer. Die heutige Bezeichnung für Macau in der modernen chinesischen Hochsprache lautet »Ao-men«, was soviel wie »Tor zur (Anker-) Bucht« bedeutet. Wenngleich Hongkong, das zirka 65 Kilometer von Macao entfernt ist, der Stadt mittlerweile den Rang abgelaufen hat, so hat Macau dennoch an seinem Wahrzeichen, der Fassade der im 17 Jahrhundert erbauten und im 19. Jahrhundert abgebrannten Sãn-Paulo-Kathedrale, einen klingenden Namen.

Ungefähr zur selben Zeit wie die Portugiesen waren auch die Spanier unter Führung des Portugiesen Fernãndo des Magalhães 1521 im Golf von Leyte (auf den heutigen Philippinen) gelandet und hatten die Inseln nominell der spanischen Oberhoheit unterstellt. Es dauerte jedoch noch ein paar Jahrzehnte, bis die die erste Siedlung auf dieser Inselwelt, die sie nach König Philipp II. von Spanien Philippinen nannten, gründen konnten. Von dieser Basis aus landeten sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch in China, mit dem sie der Folgezeit lebhafte Handelsbeziehungen unterhielten. Große Mengen an Seide, Porzellanen und anderen Gütern wurden nach Europa und vor allem auch in die neugegründeten spanischen Kolonien in Amerika exportiert. Die Bezahlung erfolgte meist in Silber, das, ebenfalls aus den Bergwerken Lateinamerikas Stammend, damals in großen Mengen nach China floß.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren in Europa zwei Seemächte erstarkt, die Holländer und die Engländer, die den Spaniern und den Portugiesen im Fernen Osten ihren Platz streitig zu machen begannen. Während sich die Holländer im allgemeinen zu einer starken Handelsmacht in Ostasien entwickelten, hatten ihre Handelsbeziehungen zu China wenig Erfolg. Sie nahmen zwar eine kleine Insel auf den Peskadoren, einer Inselgruppe zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan, ein und erbauten dort eine Befestigungsanlage, konnten diese aber gegen den Angriff der kaiserlichen Ming-Flotte nicht halten und mußten sie wieder räumen. (Bereits im Jahre 1590 waren portugiesische Schiffe auf der Insel Taiwan gelandet und hatten dort eine kleine Niederlassung gegründet. Diesen portugiesischen Seefahrern verdankt die Insel auch heute noch ihren Namen, unter dem sie im Westen vorwiegend bekannt ist: »ilha formosa«, die schöne Insel.)       nach oben

Taiwan

In den Jahren 1622 bis 1624 gelang den Holländern die Eroberung der Peskadoren und des Südwestteils von Taiwan. Nachdem sie sich in Taiwan niedergelassen hatten, erbauten sie zwei gewaltige Befestigungsanlagen. Der Nordteil der Insel kam 1626 unter die Herrschaft der Spanier, wurde diesen aber von den Holländern 1642 wieder entrissen, die fortan das gesamte Gebiet allein beherrschten, bis auch sie zwei Jahrzehnte später (1662) vom Ming-General Koxinga ( = Zheng Chenggong) endgültig aus dem Land vertrieben wurden. Im Jahre 1637 kamen als weitete europäische Großmacht noch die Engländer nach China, deren beherrschender Einfluß als europäische Handelsmacht auf den südchinesischen Küstenraum aber erst in der Qing-Zeit konkrete Auswirkungen hatte. Ebenso traten auch die Beziehungen zwischen dem chinesischen und dem russischen Kaiserreich erst während der Qing-Zeit in ein konkretes Stadium, wenngleich bereits während der letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts weite Gebiete Sibiriens vom Ob im Westen bis zur Lenk im fernen Osten von Kosakenheeren mit einer Reihe von Befestigungsanlagen und Ausßenposten versehen und dadurch für den Verkehr etwas zugänglicher gemacht wurden. Das zaristische Rußland war damals am sibirischen Raum hauptsächlich wegen des großen Reichtums an Pelzen und Fellen, für die auch Tribut eingehoben wurde, interessiert.

Während der Ming-Zeit setzt auch die eigentliche Missionstätigkeit katholischer Missionare in China ein. Zwar hatten schon während der Mongolen-Zeit (1280 bis 1368) die ersten Missionsversuche von Franziskanern stattgefunden, doch war deren Tätigkeit damals im wesentlichen mehr auf Angehörige von Fremdvölkern, die in der Hauptstadt lebten, beschränkt gewesen. Dies dürfte auch ein Grund dafür gewesen sein, daß die Missionare, die nunmehr nach China kamen, keinerlei katholische Gemeinden mehr dort vorfanden.

Die führende Gestalt unter den nun auftretenden Jesuitenmissionaren ist der Italiener Mattea Ricci (chinesisch: Li Madou, geb. in Macerata 1551, gest. in Peking 1610). Er hatte in Italien nicht nur Theologie, sondern auch Rechtswissenschaft und vor allem Naturwissenschaft studiert, nämlich Mathematik, Physik, Astronomie und Kalenderwesen. Ricci verließ Lissabon im Frühling 1578 und traf im Herbst desselben Jahres in Goa (Indien) ein, wo er fast vier Jahre lang blieb. Erst 1582 ging dann die Reise nach Ostasien weiter, und im August dieses Jahres traf er in Macau ein. Überzeugt, daß er in seiner missionarischen Tätigkeit nur dann Erfolg haben werde, wenn er die Sprache und Schrift des Landes beherrschte und durch ein gründliches Studium tief in die chinesische Kultur- und Geisteswelt eindringe, widmete er sich zunächst mehrere Jahre einem eingehenden Studium der Sprache und der klassischen Werke der großen chinesischen Philosophen und Denker. Insbesondere vertiefte er sich in das Studium des Konfuzianismus, auf dessen Säulen ja das Ming-Reich geistig ruhte. Nach 13 Jahren hatte Ricci mit einigen anderen Paters sein Ziel erreicht: Im Jahre 1601 erhielt er die Erlaubnis, in die Hauptstadt Peking zu reisen. Dieser Erfolg ist vor allem seiner ausgeglichenen Persönlichkeit zu verdanken, die es verstand, sich vom Eurozentrismus zu lösen und sich tief in die chinesische Geistes- und Kulturwelt einzufügen, ja bis zu einem gewissen Grad sich sogar mit ihr zu identifizieren. Daneben dürfte aber auch der Umstand eine rolle gespielt haben, daß sich der damalige Kaiser und eine Reihe von Würdenträgern sehr für Naturwissenschaften und Technik, in denen Ricci und seine Kollegen über ein reiches Wissen verfügten, interessierten. Außerdem dürfte ihn auch eine Reihe von einflußreichen chinesischen Freunden, unterstützt haben. Unter ihnen ist vor allem Xu Gangpi ( = Paul Xu) zu nennen, der das Amt eines Staatskanzlers bekleidete und selbst den katholischen Glauben angenommen hatte.

In Peking, wo Ricci noch zirka zehn Jahre lebte, widmete er sich auf der einen Seite der Mission, auf der anderen betrieb er weiterhin naturwissenschaftliche Studien. Bei seinem Tode im Jahre 1610 soll es in China etwa 2000 bis 3000 chinesische Christen gegeben haben.             nach oben

Adam Schall von Bell

Der Nachfolger Riccis war der deutsche Jesuit Adam Schall von Bell (1591 bis 1666). Er wurde als Astronom an den kaiserlichen Hof berufen, wo er mit verschiedenen chinesischen Gelehrten zusammenarbeitete. Der Astronomie kam damals eine außerordentlich große Bedeutung zu: In enger Zusammenarbeit zwischen den Jesuitenmissionaren, die eine nicht unbedeutende Bibliothek mit europäischen Werken aufgebaut hatten, und chinesischen Wissenschaftlern und Gelehrten kam es im Laufe der Jahrzehnte zu einer guten Zusammenarbeit und einer regen gemeinsamen Publikationstätigkeit. Die gemeinsam herausgegebenen Werke hatten zum Teil Themen der christlichen Religion zum Inhalt, behandelten daneben aber auch die verschiedensten Gebiete der Natur- und Geisteswissenschaften und anderen Disziplinen.

Nach den Jesuiten erhielten dann allmählich auch die Franziskaner, die Dominikaner und die Augustiner das Recht, in China zu missionieren. Zwischen diesen und den Jesuiten entwickelte sich dann gegen Ende der Ming-Dynastie ein großer Streit darüber, mit welcher Bezeichnung der christliche Gottesbegriff im Chinesischen wiedergegeben und vor allem, wie weit die Konfuzius- und Ahnenverehrung bei chinesischen Christen geduldet werden sollte. Diese Auseinandersetzung, die ihren Höhepunkt in der Qing-Zeit erreichte, hat der christlichen Mission in China sehr geschadet. Die Blütezeit, in der sich der Ming-Staat ungestört entwickeln konnte, war nur von kurzer Dauer. Bald schon fielen wieder im Norden die Mongolen und im Nordosten des Reiches, in Korea, die Japaner ein. Die Küste wiederum immer wieder von japanischen Seeräubern heimgesucht. Der größte und gefährlichste Fein jedoch erwuchs den Chinesen zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Nordosten des Reiches. Dort hatten sich nämlich in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts verschiedene tungusische Stämme unter Führung ihres Häuptlings Nurhatschi zusammengeschlossen. Im Jahre 1616 gründete dieser eine neue Dynastie, die er in Anlehnung an seine Stammesvorfahren, den Dschurdschen, Späte(re) Jin-Dynastie nannte. Im Jahre 1636 wurde dieser Name in Qing- ( = die reine, glanzvolle) Dynastie umgewandelt. 1621 fiel er ins Ming-Reich ein, besetzte die Stadt Liaoyang und machte sie zur Hauptstadt. Vier Jahre Später verlegte er sie nach Shenyang.

Schon gegen Ende des vorangegangenen Jahrhunderts hatte Nurhatschi für sein halbnomadisches Volk, die Mandschuren, auf der Basis des mongolischen Schriftsystems eine eigene Schrift konzipieren lassen, die sich nur durch ein paar zusätzliche Buchstaben und die Verwendung einiger diakritischer Zeichen von letzterer unterschied. Kurz nach der Jahrhundertwende führte er bei seinen Truppen, die sich nicht nur aus Mandschuren, sondern auch aus Mongolen, Chinesen und Koreanern zusammensetzten, eine Neuorganisation durch und teilte diese nach der Farbe ihrer Banner (weiß, gelb, blau, rot) in vier Regimenter zu je 300 Soldaten ein. Später wurde jedes einzelne Kontingent nochmals in zwei Gruppen unterteilt, woraus dann die »Acht Banner« entstanden, die noch etwas später sogar auf 24 erweitert wurden.

In China selbst hatte sich die Lage in den ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts dramatisch verschlechtert. Eunuchen hatten am Hof die Macht an sich gerissen, und unter der Beamtenschaft hatte sich arge Korruption breitgemacht. Die Bauern litten unter einer drückenden Steuerlast, die noch durch weitere Zusatzabgaben erhöht wurde. Dann kam noch eine Naturkatastrophe in Form einer Dürre in der Provinz Shaanxi; eine Hungersnot war die Folge.

Da scharten sich die Bauern im Jahre 1628 in mehreren Teilen des Reiches in einem großen Aufstand zusammen, dem sich auch noch andere Gruppen anschlossen. Ihre Anführer waren Zhang Xianzhong und Li Zicheng. Das Bauernheer unter Zhang marschierte von Henan und Anhui nach Hubei und Hunan und nahm 1643 Sichuan ein, wo sich Zhang zum Herrscher über diese Provinz machte. Li führte seine Bauernarmee von Shaanxi über Shanxi in Richtung Peking, das er 1644 einnahm. Zhuang-li-di (Regierungsdevise Chongzhen)), der letzte Kaiser der Ming-Dynastie, erhängte sich angesichts der verzweifelten Lage in einem Pavillon auf dem Kohlenhügel nördlich der Kaiserstadt. Eine Reihe von Angehörigen des Kaiserhauses floh nach Süden, in der Hoffnung, dort eine neue Streitmacht aufstellen und die Macht wieder an sich reißen zu können. Doch das Volk zeigte kein Interesse, jene Dynastie, die ihm so groß Opfer abverlangt hatte, zu retten. Als einziger hätte vielleicht der Ming-General Wu Sangui noch eine Entscheidung zugunsten der Ming-Dynastie herbeiführen können. Doch er machte gemeinsame Sache mit den Mandschuren, die bereits mit einer Armee von etwa 170000 Mann (davon nur zirka die Hälfte Mandschus) an der Chinesischen Mauer standen und ihre Stunde nunmehr für gekommen sahen. Zusammen mit den Truppen Wu Sanguis rückten nun die Mandschuren auf die Hauptstadt vor und nahmen sie ein.                                                                                                                               nach oben

zurück     weiter